Ich bin unterwegs durch Wien, an einen für mich noch unbekannten Ort. Etwas verschlafen habe ich mich in der Früh ganz schnell auf den Weg gemacht. Als ich ankomme, ist der scheinbar immer dichter werdende Nebel verschwunden und die Stadt begrüßt mich mit einem herbstlich warmen Lächeln. In der Wohnung duftet es nach frischem Kaffee, wir nehmen am Eingang des Wohnzimmers, an einem runden, schwarzen Tisch Platz.
Gebet ist eine Säule in meinem Alltag, beginnt Lukas zu erzählen. Fixe Zeiten sind da besonders wichtig. Anfangs habe ich immer abends gebetet, nachdem alles vom Tag vorbei war.
Aber es hat sich dann relativ schnell schon so entwickelt, dass ich zur Früh hin gewechselt habe, weil abends einfach andere Sachen dran waren. Ich merke, dass ich, wenn ich in der Früh bete, auch noch fit bin, ich habe dann noch keine Sachen gemacht, die Gedanken sind noch klarer.
Außerdem habe ich es gerne, wenn die erste Begegnung des Tages mit Gott ist.
Vielleicht begegne ich dann in der Früh auch meinen Brüdern in der WG, oder meiner Familie, je nachdem mit wem ich in Kontakt komme, aber mein Fokus liegt auf Gott.
Ich frage ihn, ob diese erste Begegnung Auswirkungen auf den restlichen Tag hat und Lukas antwortet mit einem simplen, aber voller Freude strahlenden "Ja".
Ich glaube, dass ich dann mehr da sein kann, mehr vertrauen kann, antwortet er. Nicht jeder Tag ist automatisch rosig, nur weil ich in der Früh gebetet habe, aber darum geht es auch nicht.
Egal, ob der Tag ein guter oder ein nicht so guter Tag wird, ich möchte einfach alles mit Gott starten. Natürlich ist das nicht immer leicht, manchmal muss ich mein Herz daran erinnern, warum ich das überhaupt mache, zum Beispiel wenn ich müde bin und gerne noch etwas schlafen würde, wenn mir Sachen einfallen, die zu erledigen sind, aber es lohnt sich!
Er ist mein Schöpfer und er hat mich erlöst und das sind schon mal gute Gründe, um ihm zu begegnen und danach bin ich immer ein anderer Mensch.
Aber beim Gebet in der Früh bleibt es nicht, auch wenn das im Alltag herausfordert. Im Moment befindet er sich in einer sehr bewegten Phase, nach dem ruhigen Sommer hat viel Neues begonnen, neue Projekte und viele andere Sachen sind gestartet.
„Dennoch ist Gebet nichts, das zu einem Programm werden darf, nichts, das ich irgendwann am Tag erledige und dann abhaken kann, auch wenn Eckpfeiler gut sind. Ich muss darauf achten, dass ich mit Jesus gehe, aktiv bleibe und mein Herz immer wieder neu an ihm ausrichte, immer mal wieder den Kontakt suche. Das ist wie mit einem Freund, mit dem man zusammenwohnt, einmal am Tag hat man ein längeres Gespräch miteinander und dann kleinere Sachen, immer mal wieder über den Tag verteilt. Man fragt ‚Wie geht‘s dir jetzt? Wo gehst du hin?‘ und sucht den Kontakt zum anderen. Die Begegnung bewegt mich und ich trage manche Sachen dann den ganzen Tag mit. So ist das für mich auch mit Gott: Es geht um Beziehung, Ehrlichkeit und Offenheit, darum, ihm von Herz zu Herz zu begegnen.“
Lukas fährt fort: „Was, wenn Gott uns erzählen will, wie es ihm geht und was er so vor hat? Was wenn er sagt: ‚Hey lieber Lukas, ich würde dir gerne dieses und jenes erzählen.?‘“
Wieder vergleicht er mit der Begegnung eines Freundes, er spricht davon, dass diese Begegnungen so unerschöpflich wirken und es immer noch mehr über die andere Person zu erfahren gibt. Wie muss das dann erst mit Gott sein?
Wir halten kurz inne.
Auch wenn das Gebet zuhause große Freiheit schenkt, erzählt er von prägenden Erfahrungen im Gebetskreis, der regelmäßig im HOME stattfindet. „Dort habe ich gelernt, an Gott dran zu bleiben“, sagt er. „Zu wachsen, mich immer wieder neu auf ihn auszurichten und dort durfte ich merken, wie wichtig es ist, zusammen mit anderen Menschen zu beten.“ Der Gebetskreis ist über die Jahre wie ein Zuhause für ihn geworden.
Das Gebet mit anderen bringt mich in Gedanken zum Gebet für andere. „Spielt das auch eine Rolle in deinem Leben?“, frage ich.
Bescheiden antwortet er, dass er da noch am Anfang steht und er Menschen, die ihm anvertraut sind auf zwei unterschiedliche Arten vor Gott bringt. „Zum einen, so wie ich denke, was gerade gut für diese Person wäre und zum anderen frage ich Gott, wie er diesen Menschen sieht, der mir gerade in Gedanken kommt.“, erzählt er. „Welches Gold, welche Talente und Gaben er in diesem Menschen sieht. Ich glaube wirklich, dass die Worte, die wir dann aussprechen real werden. Es macht mir Freude zu sehen, was im anderen Menschen steckt, zu sehen, was für einen schönen Weg mein Gegenüber noch vor sich hat.“
An Gottes Charakter merkt er dann, ob die Bilder, Eindrücke und Gedanken, die er für und über den anderen Menschen hat, von Gott kommen oder nicht. Da ist es wichtig zu unterscheiden und zu entdecken wie Gott in der Bibel beschrieben wird. Er ist Liebe, Freude und Frieden, Gott ist gut und zu 100% Licht. Ich weiß, dass er das Beste für uns will, er bleibt an uns dran auch wenn wir untreu sind. Gott will uns immer wieder in perfekte Harmonie, Liebe und in ewige Freude mit ihm bringen. Wenn dieser Charakter mitschwingt, dann weiß ich, dass es womöglich von Gott kommt.
Und dann fügt Lukas mit strahlenden Augen noch hinzu: „Wie wäre es, wenn wir annehmen würden, dass unser Gott mit uns sprechen will, wie wäre es, wenn das nichts Sonderbares wäre, sondern ganz normal. Wenn wir einfach annehmen würden, dass er immer und voller Aufregung mit uns in Beziehung sein möchte.“
Ich fahre durch die vom Herbst bunt gefärbte Stadt zurück nach Hause und beobachte im Vorbeifahren die schon braun gewordenen Blätter beim Tanz durch die Lüfte, sehe zu, wie sie schließlich dem Boden entgegensegeln. Neben mir unterhalten sich zwei Menschen. In der vollen Straßenbahn klingt diese Herzenshaltung des Gebets noch durch meine Gedanken. Die zwei Menschen neben mir haben Zeit, genießen die spontane Begegnung, die sie unterwegs erfahren. Ich frage mich: Was wäre, wenn das Gespräch mit Gott den ganzen Tag über anhalten und nicht so leicht abreißen würde, selbst unterwegs, ein Innehalten und Hinhören, ein Zur-Ruhe-Kommen in dieser schnellen Zeit. Ein beidseitiges Ganz-da-Sein. Was wäre wenn?
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